Schiffsbeteiligungen
Was haben Schifffahrt,
Paderborn und Nottensdorf gemeinsam?
Über die alltägliche
EU-Regelungswut, für Sie geschrieben in der HANSA 02/2010
Bei dieser Fragestellung
wird sicherlich die erste Reaktion sein, Schifffahrt ok, Paderborn
liegt in Ostwestfalen-Lippe, aber was und wo ist Nottensdorf?
Nun, das ist leicht beantwortet. Nottensdorf ist ein kleines 1200-Seelendorf
zwischen Buxtehude und Stade an der Niederelbe. (Ein nettes Dorf
zum Wohnen und Leben, beides praktiziere ich dort mit Erfolg.
Anm. d. Verf.) Gleichwohl bleibt die Fragestellung, was Schifffahrt,
Paderborn und Nottensdorf gemeinsam haben. Die Frage ist sehr
schnell und einfach beantwortet, alle drei unterliegen einer Regelungswut
der EU, die ihres Gleichen sucht.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren
nach Paderborn, ins südliche Paderborner Land und gehen dort
im Almetal spazieren. Auf einmal hören Sie musikalische Klänge,
die Ihnen eigentümlich bekannt vorkommen, die Sie aber nicht
zuordnen können. Während Sie so weiter wandern dringt
es auf einmal in Ihr Bewußtsein, he, das gehört doch
hier gar nicht hin, das sind doch Alphörner. Aber was um
Himmelswillen haben Alphörner im südlichen Paderborner
Land zu suchen? Das Zauberwort heißt Leader + Projekt.
Mit diesem speziellen Förderprogramm
der Europäischen Union werden Tourismusprogramme in verschiedenen
Regionen gefördert. Dank dieser Fördermittel der EU
wird in Ostwestfalen-Lippe ein Instrument heimisch, das bisher
nur im Alpenraum verbreitet war: das Alphorn. Die vier Alphörner,
die der heimische Musikverein in Büren-Harth (Kreis Paderborn)
für EURO 10.000,-- angeschafft hat, wurden durch das Leader
+ Projekt Programm zur Förderung des Tourismus im Paderborner
Land mit EURO 5.000,-- bezuschusst. Cool, oder?
In Nottensdorf, einer der "touristischen
Metroploregionen" im Bereich der Niederelbe, hat man sich
aus dem Leader + Projekt Programm richtig bedient, mit einer Investition,
die mehr Fragen als Antworten aufwirft. Nottensdorf liegt am Geestrand
und ist damit rd. 15 - 20 Meter höher als das flache Marschland,
das sich bis zur Elbe erstreckt, besser bekannt als das Alte Land,
größtes Obstanbaugebiet in Europa. In Nottensdorf wurde
ein Aussichtsturm errichtet, der bei klarer Sicht einen Blick
auf den Hamburger Hafen bietet, Luftlinie ca. 20 km, und natürlich
auf die Elbe, Luftlinie ca. 6 km. Aussichtsausbeute im April,
Mai, Juni die Apfel- und Kirschblüte im Alten Land mit Blick
auf ein Blütenmeer und in einigen Kilometern Entfernung vorbeiziehende
Schiffe, die man ohne Fernglas nur als bewegliche Punkte wahrnimmt.
Die Kosten für die Errichtung dieses 25 Meter hohen Turms
belaufen sich auf Euro 185.000,--. Für die Gemeinde nicht
das Problem, kommen doch Euro 100.000,-- aus dem bereits beschriebenen
Leader + Projekt Programm. Als Bewohner dieses Ortes hoffe ich
nur, dass unsere örtlichen Bed and Breakfast Einrichtungen
dem europaweiten Besucheransturm gewachsen sind.
Die zum Teil völlig schwachsinnigen
Regelungen, die auf der Ebene extrem hoch bezahlter EU-Beamter
erarbeitet werden, belasten uns ganz erheblich, aber noch viel
schlimmer behindern sie uns. Aber was hat das ganze eigentlich
mit der Schifffahrt zu tun? Leider sehr viel, weil im Zuge der
extremen Regelungs- und Reglementierungswut, die die EU uns in
vielen Bereichen generell auferlegt, die Schifffahrt nicht mehr
in dem Maße agieren kann, wie es in Notsituationen wünschenswert
wäre.
Ich hatte mir in meinem letzten Kommentar
vorgenommen, nicht mehr über die Krise zu schreiben, aber
ein letztes Mal möchte ich Wege aus der Krise aufzeigen,
die mit der EU-Regelungswut kollidieren. Die Schifffahrt ist nicht
mehr frei in ihren Entscheidungen, die sie zu ihrem eigenen Wohl
treffen möchte. In der gegenwärtigen Situation werden
natürlich viele Überlegungen angestellt, wie man der
Situation Herr wird und es haben erste Ansätze zu Lösungsvorschlägen
geführt. Eine dieser Überlegungen führte zum "Baltic
Max Feeder" Konzept. Kernpunkt dieses Konzeptes ist die Überlegung,
dass das Aufliegen von Schiffen solidarisch finanziert und bezahlt
werden muß. Die Eckpunkte dieses Konzeptes einer namhaften
Steuerberatungsgesellschaft aus Haren/Ems sind vor wenigen Tagen
leider gescheitert und die Containerschifffahrt in der Größenklasse
bis 1400 TEU wird nicht in den Genuß dieser guten Idee kommen.
Die Idee dieser Solidargemeinschaft
war gut - da sie gescheitert ist brauchen wir sie auch nicht weiter
zu erläutern - aber im Vorwege sind zur Umsetzung des Konzeptes
Regelungsschritte einzuleiten gewesen, die ihres gleichen suchen.
Da unsere Eurokraten hinter jeder wirtschaftlichen Interessengemeinschaft,
an der mehrere Unternehmen mitwirken, sofort kartellrechtliche
Konspiration vermuten, muss das erst einmal überprüft
werden. Folgerichtig findet man aktuell auf der Seite der EU ein
Press release:
"Die Europäische
Kommission hat eine förmliche kartellrechtliche Untersuchung
des "Baltic Max Feeder" Konzepts eingeleitet, um zu
prüfen, ob ein Verstoß gegen die EU-Vorschriften über
wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken (Artikel
101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen
Union, AEUV) vorliegt. Die Kommission befürchtet insbesondere,
dass das Konzept, nach dem europäische Schiffseigner vereinbaren,
die Kosten für das Aufliegen von Feederschiffen gemeinsam
zu tragen, darauf abzielen könnte, die Kapazitäten zu
verringern und somit die Charterraten für diese Schiffe in
die Höhe zu treiben."
In der Begründung für die
Einleitung des Verfahrens wird ausgeführt, dass die Kommission
insbesondere untersuchen wird, ob das eigentliche Ziel in der
Kapazitätenverringerung bei Feederschiffen in Europa besteht,
was wiederum zu einem Anstieg der Charterraten für Feederschiffe
führen könnte. Allein beim Lesen der Begründung
sträubt sich einem das Nackengefieder. Während mit dem
Baltic Max Feeder-Konzept eine Überlegung angestellt worden
ist, wie man durch die Krise in Not geratenen Schiffsgesellschaften
helfen kann zu überleben, haben die Eurokraten nichts Wichtigeres
zu tun als darüber nachzudenken, ob man das nicht besser
verhindern sollte. Nachdem die Banken, die diesem Konzept positiv
gegenüber standen, von dem kartellrechtlichen Prüfungsverfahren
der EU erfahren haben, traten sie mit ihren Zusagen für Hilfe
den Rückzug an.
Auch die Bildung von Einnahmepools
mit einer größeren Anzahl von Schiffen unterliegt der
gleichen Problematik. Die Bildung eines Einnahmepools in einer
Marktsituation, wie wir sie gerade erleben, ist absolut sinnvoll,
weil auch dadurch positive Effekte bei einem steigenden Markt
für die Schiffe erzielt werden. Aber auch bei einer solchen
Massnahme muss man heute leider kartellrechtliche Überlegungen
anstellen, bevor eine solche Überlebensstrategie ins Leben
gerufen wird.
Dass solche Maßnahmen ergriffen
werden, um wieder wirtschaftliche Stabilität in die Schifffahrt
zu bekommen, wird gar nicht berücksichtigt. Auch der Begleiteffekt,
dass mit wirtschaftlicher Stabilität in der Schifffahrt auch
ein Beitrag für das Steueraufkommen geleistet wird, spielt
scheinbar überhaupt keine Rolle. Vermutlich übersehen
die Eurokraten in ihrer Regelungs- und Überwachungswut, aus
welchen Geldern sie eigentlich bezahlt werden. Aber darüber
darf man besser nicht nachdenken, denn aus diesen Geldern werden
auch wiederum Zuschüsse bezahlt, die an Paderborn und Nottensdorf
gezahlt worden sind.
Vielleicht könnte man ja auf
die Brückenhäuser der Schiffe, insbesondere der aufliegenden
Flotte, Türme errichten um in den Gebieten, in denen die
Schiffe liegen, touristische Attraktionen zu schaffen. Noch praktischer
wäre es, wenn man die Türme dann auch noch mit Alphornbläsern
besetzt, die die Funktion von Nebelhörnern übernehmen
könnten. Die Zuschüsse wären eine sichere Einnahme,
sofern die Schiffe im Bereich der EU aufliegen,oder?